Mittwoch, 04. Dezember 2024

Voller Einsatz für die Inklusion

Paralympics-Silbermedaillen-Gewinner Thomas Schmidberger besuchte als Pate die Realschule.

Bad Kötzting. Man dachte zunächst, ein Popstar oder zumindest Nationalspieler sei im Haus, beim Blick in die Aula der Realschule. Tatsächlich kämpfte da an einer Tischtennisplatte ein Nationalspieler um Punkte – es war aber kein Thomas Müller oder Alex Zverev, auch nicht Timo Boll, sondern Thomas Schmidberger.

Der querschnittgelähmte Tischtennisprofi aus Viechtach machte einen Abstecher in die Realschule der Pfingstrittstadt. Die hatte 2020 das Profil „Inklusion“ erhalten – als einzige weiterführende Schule im Landkreis Cham. Und seitdem ist der 31-Jährige stolzer Pate des Bildungsschwerpunkts. Sportlehrerin Kerstin Kreis hatte Wind bekommen, dass beim Viechtacher eine private Feier anstand und daher um Visite gebeten. So wurden die vom Förderverein angeschaffte Platte in die Mitte geschoben und Schüler um Schüler, Lehrer um Lehrer mühten sich, gegen den mehrfacher Europameister, Vizeweltmeister im Einzel, Weltmeister im Team und zweifachen Medaillengewinner bei den Paralympics einen Stich zu machen – meist vergeblich. 

„Inklusion heißt, die Verschiedenartigkeit der Menschen zu erleben, zu tolerieren und zu akzeptieren“ heißt es in der Agenda der Schule. Mehr erleben geht kaum, waren sich anschließend vor allem die Unterstufler sicher, die Schmidberger mit Autogrammwünschen umlagerten.

Die Vorbildfunktion ergab sich dabei aber nicht nur aus Schmidbergers Ballgefühl oder seiner Reaktionsschnelligkeit. Er war trotz aller Titel und Auszeichnungen ein Typ „zum Anfassen“ – umso faszinierender, wenn der Star quasi auch noch aus der Nachbarschaft ist. Der Viechtacher Thomas Schmidberger hatte nicht nur seine beiden Silbermedaillen aus Rio mitgebracht, die er bereitwillig den Kindern zeigte. Er plauderte auch locker aus seinem Alltag als Profisportler in der Rollstuhltischtennis Bundesliga für Borussia Düsseldorf und über seinen zweiten Platz in der Weltrangliste. Und wenn er in seinem Sport auch alles erreicht hat, reicht es nicht, ihn dort zu halten, wo er die besten Trainingsmöglichkeiten hat, so groß sei die Sehnsucht nach seiner Heimat im Bayerwald.

Der mehrfache Europameister, Vizeweltmeister im Einzel, Weltmeister im Team und eben Paralympics-Medaillengewinner erzählte von sich nicht als hochbegabtes Ausnahmetalent, sondern als Kind, das sich nach einem Verkehrsunfall eine neue Sportart suchen musste. Anfangs sei er kein guter Spieler gewesen, was sich mit zunehmenden Training geändert habe. Der Auftritt Schmidbergers war so recht nach dem Geschmack von Ina Krause.

Die Beratungsrektorin leitet mit ihrer Kollegin Sabine von Junker das Projekt an der Schule. Sie sieht im 31-Jährigen einen ruhigen, coolen Typ, mit dem sich Kinder identifizieren und ihm nacheifern können. „Bei ihm stimmen Botschafter und Botschaft“, sagt Ina Krause mit Blick auf die Bedeutung von Inklusion an dieser Schule.

Gut 30 Kinder sind es aktuell, quer durch alle Jahrgangsstufen, denen ein Handicap die Schullaufbahn erschwert: „Sie sind alle realschulgeeignet, brauchen aber zusätzliche Unterstützung und Beratung, weil sie ein Problem an einem Sinnesorgan haben, oder ihnen etwa das Schreiben schwer fällt,“ so Ina Krause. Die Lehrkräfte kennen die Probleme und beraten Schüler, Eltern und ihre Kollegen, wie das Problem am besten gemeistert werden kann. Notfalls brauche es dazu externe Hilfe- wobei sich auch hier zeige, dass Experten rar und die Wartezeiten entsprechend lang sind.

Thomas Schmidberger zeigte bei seinem Besuch schließlich auch, wie man auch mit Handicap Probleme löst – ein Zeitproblem beispielsweise. Weil er sich dachte, dass es zeitlich knapp werden könnte, nach dem Termin rechtzeitig die standesamtliche Hochzeit seines Bruders zu erreichen, parkte er seinen Audi direkt vor der Schultür. Der Rolli war flugs zusammengeklappt und der Ehrengast davongebraust.

 

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