Respekt, wer’s selber macht: Wir bauen eine Filteranlage
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Draht, Aluflexrohre, Baufolie, Panzertape: Zehntklässler der Realschule haben für 200 Euro eine Abluftanlage realisiert, die rund 90 Prozent der Aerosole aus der Raumluft filtert.
Auf die Idee gekommen ist ein Forscher des Max-PlanckInstituts für Chemie: Mit Materialien, die in jedem Baumarkt erhältlich sind, lässt sich relativ einfach eine Abluftanlage basteln, die rund 90 Prozent der Aerosole aus der Raumluft filtern. Unter Anleitung von Andreas Vogl, der an der Realschule der Pfingstrittstadt IT, Werken und Kunst unterrichtet, haben Zehntklässler des Technikzweiges im Werkraum eine entsprechende Konstruktion errichtet.
Wie’s funktioniert, erklärt Vogl beim Pressetermin am Freitag. Das Prinzip der Lüftungsanlage Marke Eigenbau ist simpel: Es basiert auf der Tatsache, dass die warme Luft, die jeder Mensch produziert, nach oben steigt. Drängt man diesen Luftstrom nach draußen, nimmt er Aerosole und mögliche Coronaviren mit sich.
Über jedem Tisch im Werkraum hängt ein breiter Schirm aus Baufolie und Draht, der mit einem Rohr verbunden ist. Alle Rohre führen in ein zentrales Rohr, das ins Freie geht. Ein Ventilator sorgt dafür, dass die Luft aktiv nach draußen befördert wird.
Lektion fürs Leben: „Man kann alles schaffen!“ Bundesweit haben mehrere Schulen diese Abluftanlage gebaut und getestet. Sabine Schmid, Leiterin der Bad Kötztinger Realschule, erfuhr im November durch einen Fernsehbeitrag von dem Projekt und befand es für nachahmungswert. Kollege Andreas Vogl teilt ihre Begeisterung: „Für die Techniker unserer Abschlussklasse ist das Projekt ideal“, schwärmt er: „Der Inhalt von IT und der Stoff von Werken greifen ineinander über. Von der Planung, über Materialbeschaffung bis hin zur Realisierung haben die Schüler alles selber gemacht.“ Und das innerhalb von vier Wochen und für Kosten in Höhe von rund 200 Euro. Anfangs hegten die Jugendlichen große Zweifel, erinnert sich Vogl. „Können wir das überhaupt?“, lautete deren erste Reaktion und er habe erwidert: „Man kann alles selber machen!“ Damit erhielten die Schüler nicht nur eine motivierende Antwort, sondern vielleicht sogar eine Lektion fürs Leben.
3D-Drucker anstatt Schweißapparate. Ganz so einfach, wie in der Anleitung vom Max-Planck-Institut beschrieben, war die Umsetzung der Abluftanlage dann aber doch nicht, gibt Vogl zu. „Die Materialien sind zwar im Baumarkt erhältlich, was uns aber fehlte, waren zum Beispiel Schweißapparate, um die Zwischenstücke herzustellen.“ Nur gut, dass die Eltern eines Schülers einen 3D-Drucker besitzen, damit konnten die Verbindungsteile produziert werden – anhand der Skizzen und Maße, die die Schüler zuvor im Unterricht berechnet haben. Überhaupt gehören zu diesem Erfolg viele Väter beziehungsweise Mütter, wirft Sabine Schmid ein, und dankt der Elternbeiratsvorsitzenden Monika Hollmeier und Konrad Kouba (Sparkasse) für die Unterstützung.
Alternative zu Stoßlüften und teuren Filtern? Futuristisch, wie übergroße transparente Blumenkelche, schaukeln die Kunststoffschirme über den Arbeitsplätzen im Werkraum. Ein Fenster ist gekippt, damit frische Luft in den Raum gelangt, das lästige Stoßlüften alle 15 Minuten aber könne man sich laut Vogl getrost sparen: „Die Messwerte sprechen für sich, 90 Prozent der Aerosole werden aus der Raumluft entfernt.“ Auch der befürchtete hohe Geräuschpegel tritt nicht ein: „Die Beamerlüftung ist lauter als der von uns verwendete Ventilator.“ Ob die Konstruktion im großen Stil eine Alternative zu sperrangelweit geöffneten Fenstern oder teuren Filteranlagen darstellt, bei dieser Frage muss Vogl passen. Der Werkraum ist geräumig und wird von weniger Schülern genutzt als ein herkömmliches Klassenzimmer. „In einer Klasse sitzen rund 30 Schüler eng beisammen, da wäre es allein platztechnisch schwierig, genügend Abzugshauben anzubringen“, überlegt Sabine Schmid.
Unterrichtsprojekt, das den Teamgeist stärkt. So wertet man dieses Projekt in erster Linie als gelungenes Unterrichtsvorhaben, das Schülern Vertrauen in ihr theoretisches Wissen und ihre praktischen Fähigkeiten gibt – und das nebenbei den Teamgeist stärkt. Rohre und Hauben wurden übrigens erst am Dienstagvormittag an der Decke befestigt – am letzten Tag bevor die Schulen wegen der hohen Inzidenzzahlen schließen mussten. Es wird also ein Weilchen dauern, bis die Abluftanlage ihre Bewährungsprobe im Schulalltag bestanden hat. Wie lange, mit dieser Frage mag sich an diesem Tag keiner beschäftigen ...
Von Doris Zitzelsberger
Vielen Dank an die Sponsoren: Elternbeirat, Sparkasse und Toom-Baumarkt