Wie wertvoll fühlst du dich heute?

Mit einem Lächeln in den Unterricht: Zwei Wertebotschafterinnen wollen den Alltag für alle Schüler an der Realschule und am Gymnasium in Bad Kötzting angenehmer gestalten

Bad Kötzting. (ths) So nützlich der Unterricht per Videokonferenz während der Pandemie auch war – wie Gruppenarbeiten und der übliche Schulalltag ablaufen, haben sicher einige Schüler vergessen oder nie gelernt. Umso wichtiger ist es jetzt, dass sie zusammenhalten und Verantwortung übernehmen. Dafür sind Johanna Falter und Romy Weindl ausgebildete Wertebotschafterinnen an ihren Schulen in Bad Kötzting. Wie Moralapostel mit dem Finger auf andere zeigen wollen sie aber nicht. Romy an der Staatlichen Realschule und Johanna am Benedikt-Stattler-Gymnasium (BSG) sind zwei Wertebotschafterinnen von 22 aus 19 Schulen in der Oberpfalz (wir berichteten). Bei einem fünftägigen Seminar im Schullandheim Gleißenberg philosophierten sie mit Experten, was Werte bedeuten, wie sie in den Alltag integriert und an andere vermittelt werden – ohne jemanden zu verurteilen. Von ihrer positiven Ausstrahlung und zuvorkommenden Art können sich so manche Erwachsene etwas fürs Berufsleben abschauen.

Im Austausch mit engagierten Jugendlichen
Einen Großteil der Ausbildung muss Romy allerdings noch nachholen. Da sie nach dem ersten Seminartag krank wurde, wird sie im März vollständig geschult. Dennoch habe sie allein von Tag eins viel mitgenommen. „Der Austausch mit den anderen engagierten Schülern und was sie schon an ihren Schulen umgesetzt haben, war toll“, sagt die 15-Jährige. Die Realschule beteiligt sich seit zwei Jahren an der Wertebotschafter-Initiative. Romys Vorgängerin hat mit Projekten wie beispielsweise Erklärvideos und Werte des Monats vorgelegt. Mit ihrem Schulabschluss im vergangenen Jahr wurde diese Rolle frei, woraufhin die Schulleitung auf die Neuntklässlerin zukam. Romy kennt als Schülersprecherin und Tutorin bereits viele Schüler unterschiedlicher Jahrgangsstufen und hat einen guten Draht zu ihnen. „Gerade jetzt ist es sehr wichtig, Verantwortung zu übernehmen und im Sinne unseres Schulwerts Nächstenliebe zu handeln“, sagt Romy. Die 15-Jährige aus Bad Kötzting hat schon einige Ideen, wie sie das anstellt: „Ich möchte auf die Schüler zugehen und wissen, was sie beschäftigt.“ Bis zum Schuljahresende möchte die Neuntklässlerin eine interaktive Wand verwirklichen mit der Umfrage „Wie wertvoll fühlst du dich heute?“. Geplant sind auch Aktionen mit der SMV (Schüler mit Verantwortung) für alle. „Romy macht schon so viel für unsere Schule und genau von solchen Schülern, die sich für andere einsetzen, sind wir abhängig“, sagt Lehrkraft Jana Seitz, die Teil des Präventionsteams ist, das sich gegen Drogen, Gewalt und Mobbing einsetzt. Drei Schulhunde zum Beispiel besuchen bei Gelegenheit den Unterricht und Webscouts klären junge Schüler über das Internet auf. „Alle Schüler bringen Werte von Zuhause mit, die wir in der Schule weiterleben sollten.“ Romy ist dabei die Verbindung zwischen den verschiedenen Projekten.

Freude im negativ geprägten Schulleben
Johanna Falter ist die erste Wertebotschafterin am BSG. Ihr merkt man die Leidenschaft für ihre Aufgabe stark an. „Unser Schulalltag ist leider oft negativ geprägt, aber wenn man mit einem Lächeln in die Schule kommt, kann man schon viel Gutes bewirken und Freude und Liebe verbreiten“, sagt die 14-Jährige. Dass alle Schüler dieselben Möglichkeiten haben und respektvoll miteinander umgehen, sind der Steinbühlerin am wichtigsten. Passend zum Leitmotto am BSG „Freude an der Verantwortung“ möchte sie die Schule für alle zu einem Wohlfühlort gestalten. Stresssituationen wie Prüfungen, Ausfragen und auch Hausaufgaben sollen nicht nur negativ wahrgenommen werden – die Schüler sollen sich emotional beiseitestehen. An der Ausbildung sei Johanna persönlich sehr gewachsen. Sie hat gelernt, wie sie möglichst viele Schüler mit Projekten ansprechen kann – eventuell besser als mancher Lehrer. „Und selbst, wenn wir nur ein paar erreichen, für die die Schule angenehmer wird.“ Einige hätten von ihrer Rolle schon mitbekommen und neugierig nachgefragt. Johannas erste Aufgabe nach den Ferien: Eine Rede für alle Schüler halten, bei der sie sich mit ihrer Aufgabe und ihren Ideen vorstellt. Sorgen, ob Johannas Mitschüler sie nicht ernst nehmen könnten, hat niemand. „Ich habe den Eindruck, dass viele Schüler Johanna sehr schätzen und respektieren. Bei der Frage im Unterricht, wie sich Schüler eine bessere Welt vorstellen, hat eine Schülerin gesagt, sie wünscht sich später Johanna als Bundeskanzlerin“, erzählt Studiendirektorin Gertrud Lauerer, die für das Profil Selbst- und Sozialkompetenz zuständig ist. Auch hier sei die Schulleitung sehr stolz auf ihre Wertebotschafterin.

Sie stellen sich niemals über andere
Streitschlichten gehört nicht zu ihren Aufgaben. Was, wenn Schüler in Romys oder Johannas Anwesenheit heftig streiten? „Klar werde ich etwas dazu sagen, aber niemanden verurteilen. Ich werde fragen, was das Problem war, warum es so verlaufen ist und wenn Schimpfwörter gefallen sind, welcher Wert vielleicht in dem Moment gefehlt hat“, sagt Johanna. Sie orientiere sich dabei an Sokrates, den sie aus dem Lateinunterricht kennt. Auch Romy kann nicht wegschauen und würde mit den Schülern sprechen. „Alles Weitere würde ich an einen Betreuungslehrer weitergeben.“ Beide würden es niemals wagen, sich dabei über ihre Mitschüler zu stellen

Werte machen Schule
Seit dem Schuljahr 2018/19 bietet der Freistaat mit der Initiative „Werte machen Schule“ eine einwöchige Ausbildung für Wertebotschafter an Schulen an. Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus ruft alle weiterführenden Schulen zur Bewerbung auf, wonach die Schulleitung einen Schüler aus der 8. oder 9. Klasse vorschlagen kann. Nach Ende der Bewerbungsfrist wählt das Kultusministerium etwa 25 Wertebotschafter pro Regierungsbezirk aus. Die Ausbildung wird begleitet von einer Lehrkraft, einem Schulsozialpädagogen sowie von externen Partnern wie dem Bayerischen Schullandheimwerk, der Akademie für Philosophische Bildung und Wertedialog und dem JFF (Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Die Grundlage dafür ist bereits in der Bayerischen Verfassung, Artikel 131, festgeschrieben, beispielhaft Absatz eins: „Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden.“ Auch für Lehrer gibt es ein ähnliches Angebot. Seit 2008 werden regelmäßig Tagungen für sogenannte Wertemultiplikatoren angeboten. -red

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