Dienstag, 16. April 2024

Gemeinsam sind wir stärker

September 2022: Die neuen Fünftklässler sind an der Realschule und haben sehr schnell ihr Klassenzimmer, die Aula und den Pausenbereich in Besitz genommen. Für Außenstehende stellt sich ein doch recht ungewöhnliches Bild dar, denn unter ihnen steht ein erwachsener Mann, der gemeinsam mit ihnen die Pause verbringt, ganz hinten im Klassenzimmer der 5b sitzt und im Schulhaus unseren neuen Schüler Werner unterstützt, z.B. begleitet er ihn über die Treppen in den zweiten Stock oder in der früh ins Schulhaus.

Grund genug nachzufragen.

Herr Weinzierl heißt der Mann. Seit diesem Schuljahr ist er der Schulbegleiter unseres Inklusionsschülers.

Herr Weinzierl, wo und wie unterstützen Sie Werner?

Ich hole Werner von der Schule ab und bringe ihn dann nach Unterrichtsschluss zum Bus, ich unterstütze beim Treppensteigen und während des Unterrichts beim Vervollständigen der Hefteinträge. Außerdem braucht Werner Hilfe beim Umziehen für den Sportunterricht und für die Wassertherapie.

Gab es in diesem Schuljahr Situationen, wo eine Unterstützung schwierig war bzw. nicht gelang?

Leider konnte ich aus familiären Gründen Werner am Anfang des Schuljahres nicht auf den Kennenlerntagen begleiten. Glücklicherweise hat hier die Realschule schnell reagiert und den Inklusionstutor Maxi Früchtl mitgeschickt.

Die Wassertherapie, die Werner anstelle des Schwimmunterricht bekommt, war anfangs schwierig zu organisieren und der Kostenträger (Bezirk Oberpfalz) tat sich sehr schwer mit der Bezahlung für meine Arbeit in dieser Zeit.

Ansonsten verlief das Schuljahr bisher reibungslos.

Werner, fühlst du dich an unserer Schule gut aufgehoben?

Ich fühle mich wohl an der Schule, denn alles ist so gut organisiert. Mein bester Freund aus der Grundschule sitzt neben mir. Er wartet an der Bushaltestelle auf mich und nimmt mir die Schultasche im Bus ab. Der Pausenplatz gefällt mir besonders gut und die Lehrer sind auch ganz in Ordnung.

Nun hat die Realschule der Pfingstrittstadt seit 2020 das Profil „Inklusion“. Dies bedeutet, dass hier Schülerinnen und Schüler mit einem Handicap besonders unterstützt werden, der vorhandene Nachteil wird auszugleichen versucht, so dass die Betroffenen an allen Aktivitäten teilnehmen können und so gut durch die Realschule kommen.

Maximilian Früchtl, Schüler der Klasse 10a, konnte als Inklusionstutor in diesem Schuljahr gewonnen werden und hat gleich bei den Kennenlerntagen unterstützt.

Maxi, du bist unser erster Inklusionstutor. Wie bist du zu diesem Amt gekommen?

Unsere Schulleiterin kam auf mich zu, weil Herr Weinzierl an den Kennenlerntagen nicht teilnehmen konnte. Ihr war bekannt, dass ich im Jugendrat der Stadt Bad Kötzting sehr aktiv bin und dass meine schulischen Leistungen passen.

Ich habe mir sofort gedacht: Warum nicht? Erinnert man sich später an seine Schulzeit, dann fallen einem sofort die Kennenlerntage, das Skilager, die Wanderwoche und die Klassenfahrt ein.

Wieso dem Schüler diese großartige Chance nehmen? Geben wir sie ihm doch!

Maxi und Werner, beschreibt mal eure erste Begegnung?

Werner: Ich habe Maxi in der Pause getroffen und fand ihn gleich nett und cool.

Maxi: Mir sind an Werner sofort seine Lebensfreude und sein enormer Ehrgeiz aufgefallen. Trotz Handicap probiert er erst einmal alles selbst.

Welche Eindrücke nehmt ihr von den gemeinsamen Kennenlerntagen mit?

Werner: Also die Übernachtung im 10-Bettzimmer und die Wanderungen waren klasse. Ich hatte meinen Rollator dabei, mein bester Freund hat mich damit oft geschoben. Beim Bettenbeziehen brauchte ich Hilfe.

Maxi: Du bist wirklich sehr selbstständig. Ich habe dich und deine Freunde beim Stadtrundgang begleitet, beim Gepäcktragen und bei den Wanderungen unterstützt. Am Abend saß ich dann mit den Lehrkräften zusammen und konnte so ihre private Seite kennenlernen. Ich habe jetzt noch einen größeren Respekt vor diesem Beruf, man braucht Geduld und Gelassenheit. Mir hat am ersten Tag schon meine Stimme versagt.

Am Ende war ich für die Schülerinnen und Schüler eine Mischung aus großem Bruder und Lehrkraft.

Was sind deine weiteren Aufgaben als Inklusionstutor?

Sollte Herr Weinzierl aus irgendeinem Grund kurzfristig ausfallen, dann springe ich sofort ein. Aus diesem Grund haben wir gleich am Anfang des Schuljahres unsere Handynummern ausgetauscht.

Wir werden in Zukunft weitere Inklusionstutoren brauchen, denn unsere Schülerschaft wird zunehmend diverser. Welche Eigenschaften sollte ein solcher Tutor mitbringen und konntest du persönlich von dieser Aufgabe profitieren?

Die kommenden Inklusionstutoren sollten Interesse, Empathie und eine Portion Gelassenheit mitbringen.  Erfahrungen im sozialen Bereich sind nicht unbedingt Voraussetzung, aber hilfreich.

Als langjähriges, engagiertes Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr weiß ich, dass in Stresssituationen Gelassenheit und ruhiges, souveränes Verhalten am besten helfen.

Diese Aufgabe kann eine Vorbereitung für das spätere Berufsleben sein, deshalb finde ich es gut, wenn in Zukunft geeignete Neuntklässler dieses Amt übernehmen.

Gerne gebe ich meine Erfahrungen nach meinen Prüfungen an Interessierte weiter und werbe für dieses Amt, denn ich habe für mich sehr viel mitgenommen. Ich bin beeindruckt, was Schülerinnen und Schüler mit einem Handicap und großer Willenskraft leisten können, das war mir vorher so nicht bewusst. Hut ab! Ich bin schon gespannt, wie sich Werner weiterentwickelt, denn ich werde nach meinem Abschluss regelmäßig vorbeischauen.

Abschließende Frage an Herrn Weinzierl, der schon an einigen Schulen als Schulbegleiter tätig war und damit Erfahrungen gesammelt hat.

Welchen Eindruck haben Sie von unserer Schule mit dem Profil „Inklusion“?

Mein Eindruck ist durchwegs positiv, denn hier wird sich um die Anliegen des Schülers und die des Schulbegleiters gekümmert. Ein regelmäßiger Austausch mit den Inklusionsbeauftragten ist gegeben, sodass bei Problemen zügig nachjustiert werden kann.

 

 

Vielen Dank für das Interview.

 

Ina Krause